Sandburg

Gedanken und Bilder können Realität werden, wie hier. © sophie under cc

Die Macht der Suggestion wird eingesetzt, um das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. In der Therapie, um ihnen zu helfen. Suggestion ist per Definition eine Beeinflussungsform von Fühlen, Denken und Handeln. Durch Worte und Sätze, die man über die Sinne aufnimmt, werden Vorstellungen erzeugt, die sich auf die Urteilsbildung, Willensentschlüsse und Gefühle auswirken.

Wir werden täglich auf direkte oder indirekte Weise auf vielen Ebenen manipuliert. Die Manipulation läuft in der Regel verdeckt, durch unauffällige Fragestellungen, Komplimente, Hinweise, Entschuldigungen oder Wiederholungen. Sehen Sie selbst:

Welche Farbe hat Neuschnee?
Welche Farbe hat Zucker?
Welche Farbe hat Papier?
Welche Farbe hat ein Brautkleid?
Was trinkt die Kuh?

Die Abfolge der Fragen mit immer derselben Antwort zeigt uns, dass typische mit der Farbe Weiß assoziierte Reize (Schnee, Zucker, Brautkleid …) in unserm Hirn den Weg für weitere Weißeindrücke bahnen. Aufgrund dessen denken wir bei der Antwort auf die letzte Frage zuerst an (weiße) Milch und nicht an (klares) Wasser. Der psychologische Fachbegriff hierfür ist Priming.

Priming und die Macht der Suggestion

Wissenschaftler haben in jüngeren Menschen mit einer Reihe von Begriffen über Priming das Thema „Alter“ induziert. Die Folge war, dass sie sich langsamer als gewöhnlich aus ihren Stühlen erhoben.

Für eine Gruppe von Älteren (alle um die 80) hingegen wurde die Uhr um zwanzig Jahre zurückgedreht. Sie lebten eine Zeit lang in einer Umgebung wie vor zwanzig Jahren. Der Effekt des Priming: Anschließend schnitten sie bei Intelligenztests besser ab, konnten ihre Gelenke wieder bewegen und waren insgesamt gesünder. So jung, wie sie sich fühlten!

Bei Verkaufsgesprächen hat sich das „Yes-Set“ bewährt: Das geht so, dass der Verkäufer zunächst Aussagen zu allgemein bekannten und akzeptierten Dingen trifft, die der Gesprächspartner bestätigen kann. Sodann bringt er, unauffällig und mit unverändertem Tonfall, sein eigentliches Anliegen vor, dem dann mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ebenfalls zugestimmt wird.

Im Autohaus:

Sie suchen nach einem Cabriolet? (Ja)
Sie haben sich aber einen warmen Sommertag ausgesucht, um heute zu uns zu kommen. (Ja)
Sie suchen ein sicheres Auto mit einem modernen Design? (Ja)
Da sind Sie bei mir genau richtig.

Zielreiz und Priming-Effekt sollten zueinander passen.

Wirksam ist auch die Manipulation durch Assoziationen. Assoziationen lösen Bedürfnisse aus und wecken Kaufwünsche. Prominente, wie Filmstars oder Spitzensportler, leben das Kaufverhalten vor. Dabei geht es um die Aufforderung zur Nachahmung, darum ein Stück der gezeigten Lebenswelt zu seiner eigenen zu machen.

Zur Manipulation mit Worten zwei Beispiele aus der Politik: „Wir werden eine großartige Mauer entlang der Südgrenze bauen. Und Mexiko wird die Mauer bezahlen“, kündigte Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf an, aber die Finanzierung des Vorhabens trägt das eigene Volk, nachdem Mexiko die Forderung (voraussehbar) zurückgewiesen hat. Oder, wenn es um Steuererhöhungen geht: Solidaritätsbeitrag appelliert an den Gemeinsinn, während Extra-Steuer nach Abzocke klingt.

Kleider machen Leute

Tatsächlich gehen von der Kleidung eines Menschen suggestive Wirkungen aus. Gut gekleidete Menschen werden anders wahrgenommen, wobei das Feedback ihre Eigenwahrnehmung und ihr Selbstvertrauen stärkt. Denken Sie an die Wirkung von Uniformen – sie verweisen auf den Status des Uniformträgers (Flugkapitän, Oberstleutnant, Polizeikommissarin, Brandmeister …). Diese Stärkung hilft dem Träger der Uniform wiederum bei der Bewältigung seiner Aufgaben. Im Film „Der Hauptmann“ findet ein junger Gefreiter in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht eine Hauptmannsuniform. Ohne zu überlegen streift er sich die ranghohe Uniform als Verkleidung und die damit verbundene Rolle über. Froh, wieder einen Befehlsgeber gefunden zu haben, versammeln sich versprengte Soldaten um ihn.

Hochstapler arbeiten ebenfalls mit Suggestionen in dem sie, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, oftmals ihr komplettes Umfeld und insbesondere die unmittelbar Beteiligten in ihrem Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Gert Postel, ein gelernter Postzusteller, erhielt mehrmals eine Anstellung als Facharzt für Psychiatrie. Einmal bewarb er sich sogar um eine Stelle als Oberarzt in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und setzte sich im Vorstellungsgespräch gegen 38 Mitbewerber, alle Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie, durch. Als Weiterbildungsbeauftragter der sächsischen Landesärztekammer nahm er Facharztprüfungen im Bereich Psychiatrie ab. Als psychiatrischer Gutachter erstellte Postel zahlreiche Gerichtsgutachten und ist dutzende Male vor Gericht als Gutachter aufgetreten. Postel spielte seine betrügerische Rolle offenbar überzeugender als viele Psychiater. Das Buch „Doktorspiele: Geständnisse eines Hochstaplers“ wurde ein Bestseller.

Hypnotherapeuten testen Klienten vor der Anwendung von Hypnose auf ihre Suggestibilität. Kann ein „Handwachstum“ erzeugt werden, ist der Test bestanden. Dazu wird die rechte Hand des Patienten mit Suggestionen und Vorstellungsbildern entspannt und im Längenvergleich beider Hände ist die rechte Hand hinterher meist länger als die linke. Für den Effekt gibt es eine Erklärung. Die menschliche Hand besteht aus 27 Knochen, die durch Muskeln und Sehnen zusammengehalten werden. Die einzelnen Gelenkspalten zwischen den Knochen sind enger, wenn die Muskeln angespannt sind und etwas weiter, wenn sie entspannt sind. In Summe kann das bei einer mittelgroßen Hand einen Längenunterschied von 0,5 bis 1 Zentimeter ausmachen.

Ich habe ein Experiment mit zwei unterschiedlich schweren Figuren aus Metall entwickelt. Die eine kleine Figur ist massiv, aus Eisen gegossen. Die andere Figur, dreimal so groß, hat eine Wabenstruktur. Die kleine Figur wiegt 100 Gramm und die große Figur 150 Gramm. Nahezu jeder, der beide Figuren mit den Fingerspitzen anhebt, ist sich sicher, dass die kleinere Figur schwerer ist als die größere, was auf einer haptischen Täuschung beruht. Der Blick auf die Waage zeigt den Irrtum auf, aber die nachträgliche Suggestion, alles sei ein Scherz und die Waage präpariert gewesen, festigt wiederum die Fehleinschätzung. Wir glauben gerne, was wir glauben wollen, insbesondere wenn es unserer Einschätzung oder unseren Vorurteilen entspricht.