Krankheit und Verfall gehören unweigerlich zum Leben dazu. Mit einem gesunden Lebensstil können wir vorsorgen und unsere physische sowie psychische Gesundheit bewahren. Am Ende jedoch sind wir alle nur Menschen, die sich hin und wieder Genuss gönnen und die abseits ihrer ursprünglichen Natürlichkeit leben; mit Technik, mit Autos und verarbeiteten Lebensmitteln. Und so kann es passieren und sie ist plötzlich da, die Krankheit.
Doch wie gehen wir damit um? Die Antwort darauf sind sogenannte Bewältigungsstrategien oder auch Coping (engl. to cope „bewältigen“). Sie werden bewusst, in der Pädagogik oder Psychotherapie, oder unterbewusst eingesetzt. Dieser Artikel soll sich mit der speziellen Form des spirituellen Copings befassen.

Nachweislich stehen spirituelle Bewältigungsstrategien mit einer gesteigerten Lebensqualität von Erkrankten in Zusammenhang. Das wurde unter anderem bei Krebspatienten [1], Rückenmarksverletzungen [2] und HIV-Infizierten [3] untersucht.

Psychische Gesundheit und spirituelle Bewältigungsstrategien

Doch wie sieht es aus, wenn es um den Zusammenhang zwischen spirituellen Bewältigungsstrategien und psychischer Gesundheit geht? Die Vermutung, dass sie in einem positiven Zusammenhang stehen, ist naheliegend. Beispielsweise wurde festgestellt, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen spirituellem Wohlbefinden und der Stressreduktion und Anpassungsfähigkeit von Suizidüberlebenden gibt [4]. Weiterhin kann die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) der Überlebenden und ihr Wiederaufbauprozess unterstützt werden, indem die konstruktiven Aspekte ihrer spirituellen und religiösen Erfahrungen bewertet und berücksichtigt werden [5]. Außerdem heißt es, dass religiöse und spirituelle Überzeugungen und Aktivitäten die Anpassung an den Verlust eines Familienmitglieds erleichtern [6].

Selbsttranszendenz

Im Alter mental gesund. © Tristan Le

Insbesondere ältere Menschen beschäftigen sich gegen Ende ihres Lebens mit Sinnfragen. Unter über 85-Jährigen wurden positive Zusammenhänge zwischen Selbst-Transzendenz und mentaler Gesundheit gefunden [7] [8]. Die Ergebnisse bestätigen, dass existenzielle Maßstäbe der persönlichen Bedeutung, der Religiosität und Spiritualität stärker zum Wohlbefinden beigetragen haben als soziale Ressourcen, körperliche Gesundheit oder negative Lebensereignisse [9].

Folglich stehen positive Gesundheit und Spiritualität in einer Beziehung, mindestens so weit, dass Spiritualität als eine Komponente der Anpassungsfähigkeit bei Gesundheitsthemen auftritt [10]. Es wird behauptet, dass diese Bewältigungsstrategien und Problemlösetechniken adaptive Anwendungen der spirituellen Intelligenz sind. Obwohl es Forschungsergebnisse gibt, die eine Beziehung zwischen der Anpassungsfähigkeit und dem spirituellen Wohlbefinden zeigen, ist es allerdings nicht klar, ob diese Beziehung eventuell indirekt ist [11].

Was sind spirituelle Bewältigungsstrategien?

Im ursprünglichen Copingansatz war zunächst vor allem von Stressbewältigung die Rede. Erst später integrierte Folkman auf Sinnfindung basierende Bewältigungsstrategien (meaning-based coping) in das Copingmodell [12]. Wird durch andere Bewältigungsstrategien keine Lösung gefunden, dann kommt das meaning-based coping zum Einsatz. Es wird dann zur Aufrechterhaltung des Verarbeitungsprozesses eingesetzt.
Religiös-spirituelles Coping kommt vor allem in akuten, bedrohenden Situationen vor, insbesondere wenn es um die Grenzen menschlicher Existenz geht. Außerdem hat spirituelles Coping funktionelle Alleinstellungsmerkmale. Es gibt zwar Überschneidungen mit nichtreligiösem/nichtspirituellen Coping, doch es besteht eine alleinige statistische Vorhersagekraft für psychische Gesundheit [13].

Spiritualität in der Psychotherapie

Demnach ist es absolut sinnvoll Religiosität und Spiritualität in die Psychotherapie einzubinden. Sie können durchaus als Ressource der psychischen Gesundheit angesehen werden. In Deutschland sind spirituelle Ansichten meistens sehr privat und unausgesprochen. Deswegen kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass Klienten in der Psychotherapie ihre spirituellen Gedanken von sich aus äußern. Es wird deswegen empfohlen, dass der Psychotherapeut gezielt nachfragt [14].

Dazu gibt es typische Leitfragen [15]:

  • Welche religiösen/spirituellen Überzeugungen mit welchem Platz im Leben hat der Klient?
  • Sind die religiösen/spirituellen Überzeugungen hilfreich oder belastend?
  • Erhält der Klient soziale Unterstützung durch eine religiöse/spirituelle Gemeinschaft?
  • Welche religiösen/spirituellen Wünsche und Bedürfnisse hat der Klient in Bezug auf die Psychotherapie?

Sich besinnen

Meditierender Mensch

durchatmen © Prasanth Inturi

Nun, so soll dieser Artikel ein kleiner Anreiz sein, sich hin und wieder auf seine spirituellen Praktiken zu besinnen, um den Stress des Alltags besser bewältigen zu können. Einmal tief durchatmen, die Augen schließen und an ein größeres Ganzes denken. Es hilft uns runterzufahren und unsere Probleme gegebenenfalls aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Schließlich wird unsere (psychische) Gesundheit es uns danken.

Ausblick

Der zweite Teil dieser Reihe wird sich damit befassen, warum es so wichtig ist, die spirituelle Intelligenz unserer Kinder zu fördern.

Quellen