Wer bin ich? Was macht mich aus? Warum kann ich in bestimmten Situationen nicht aus meiner Haut? Diese Fragen stellen sich nicht nur tagtäglich Viele. Auch Psychologen haben sich solch komplexer Themen angenommen. Herausgekommen ist eines der am besten geprüften Messinstrumente zur Erfassung der Persönlichkeit eines Menschen. Der »Big Five«-Persönlichkeitstest hilft beim Persönlichkeit entschlüsseln.
Persönlichkeit: Was ist das eigentlich?
Persönlichkeit »ist die Gesamtheit aller überdauernden individuellen Besonderheiten im Erleben und Verhalten eines Menschen«, so steht es im Dorsch Lexikon der Psychologie. Die Persönlichkeitseigenschaften grenzen weitestgehend ein, wie man bestimmte Situationen tendenziell wahrnimmt und sich aufgrund dessen verhält. Selbstverständlich ist die Persönlichkeit bis zu einem gewissen Teil überdauernd. Allerdings schließt dies Veränderungen nicht aus. Eine Persönlichkeitsentwicklung etwa durch Lernprozesse und/oder Reifung ist möglich.
»Big Five«: Persönlichkeit entschlüsseln
Die Entstehungsgeschichte zum »Big Five«-Persönlichkeitsinventar klingt ein wenig sonderlich, aber gerade dadurch äußerst populär. Gordon Allport und Henry Odbert, zwei US-amerikanische Psychologen, legten zum Entschlüsseln der Persönlichkeit einen lexikalischen Ansatz zugrunde. Ihre Hypothese: Über die Jahrhunderte hätten sich alle charakterlichen Merkmale von Menschen in der Sprache niedergeschlagen.
Was auf den ersten Blick kühn erscheinen mag, stellt sich bei näherer Überlegung als überaus sinnhaft heraus. Menschen beobachten und vergleichen einander. Sie tauschen sich darüber aus, schlussfolgern und erwägen alles, was ihnen bei der Kategorisierung unserer Welt hilft. In der Natur des Menschen liegt es, die Welt für sich erlebbar und ordbar zu machen, um sich in ihr möglichst wissend bewegen zu können. Diese Kategorisierungsleistung des Geistes bezieht sich sowohl auf alles Lebende, Nichtlebende, auf alle möglichen Situationen, Abstraktes sowie Örtlichkeiten – und demzufolge eben auch auf Mitmenschen. Letztendlich finden wir diese Kategorisierung manifestiert in der Sprache.
In Anlehnung an Allports und Gordons Arbeit, sind in der Psychologie viele andere Typisierungen der Persönlichkeit entstanden, die darauf aufbauen und nicht weniger wertvoll sind. Als einer der grundlegenden Schlüssel solcher Modelle sind jedoch die »Big Five« zu verstehen.
Allports und Gordons lexikalischer Ansatz
Die beiden Psychologen nahmen das im Jahre 1936 auf dem Markt existierende, umfangreichste Sprachlexikon und dokumentierten daraus alle Umschreibungen für menschliche Eigenschaften. Über 17.000 Begriffe waren es am Ende genau, natürlich gab es Dopplungen, also Begriffe, welche ein und dieselbe Charaktereigenschaft bezeichneten und die in der weiterführenden Forschungsarbeit reduziert wurden. Darüber hinaus gruppierten die Psychologen Charaktereigenschaften, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gemeinsam auftraten. So ist jemand, der verträglich ist, meistens auch geduldig. Jemand, der ordentlich ist, wird auch ein Stückweit organisiert sein.
Am Ende der Arbeit von Allport und Gordon blieben fünf Persönlichkeitsdimensionen bestehen.
Fünf Dimensionen: Der Schlüssel zur Persönlichkeit
Das »Big Five«-Modell bietet fünf Persönlichkeitsdimensionen, auf denen jeder Mensch einordbar ist. Mehr noch: Das Modell soll, nach gängiger Meinung in der psychologischen Forschungswelt und validiert durch empirische Prüfung, die Facetten menschlicher Persönlichkeit auf diesen Dimensionen abbilden können. Persönlichkeitsunterschiede in allen Kulturen lassen sich durch sie beschreiben. Studien fanden genau diese fünf Dimensionen, sodass das »Big Five«-Modell durchaus als geprüft angesehen werden kann.
Doch welche fünf Dimensionen sollen das sein, um die Persönlichkeit zu entschlüsseln? Welche Items werden bei dem Test erfragt, um die menschliche Persönlichkeit nahezu vollständig einordbar zu machen?
Neurotizismus: die emotionale Stabilität
Wie ängstlich/emotional stabil ist jemand? Erfragt werden unter anderem, inwiefern man fähig ist, mit negativen, emotional aufwühlenden Erlebnissen umzugehen. Neigt man eher zur Nervosität oder bleibt man auch in stressigen Situationen die Ruhe selbst? Wer schnell gekränkt ist oder häufig verhältnismäßig viele Schuldgefühle entwickelt, wird auf dieser Dimension höher skalieren als jemand, der ungezwungener und selbstbewusster ist.
Extraversion: die Geselligkeit
Wie zurückhaltend/expressiv/dominant ist jemand? Wer vor Aktivität und Begeisterung nur so strotzt, wer gerne und viel Unterhaltungen führt, wer gerne ausgeht und dessen Leben durch Spontanität gekennzeichnet ist, der wird auf dieser Persönlichkeitsdimension relativ hoch einzuordnen sein. Der Gegenpol zeichnet sich vielmehr durch Zurückhaltung und die Suche nach Ruhe aus. Wer lieber für sich ist, beispielsweise ein gutes Buch einem Cocktailabend vorzieht, der wird sich eher auf dem Kontinuum im Bereich der Introversion wiederfinden.
Offenheit für Neues: die Wissbegierde
Wie interessiert ist jemand an neuen Erfahrungen/Impressionen/Kulturen etc.? Aufgeschlossenheit und Abwechslungssuche genauso wie ein grundsätzliches Interessiertsein an verschiedenen Themen zeichnet Personen aus, welche Offenheit für Neues mitbringen. Bodenständigkeit und Vorsicht markieren demgegenüber das andere Ende des Kontinuums. Auch die Tatsache, dass man sich ausschließlich für eine bestimmte Thematik interessiert beziehungsweise »nicht über den Tellerrand hinausschauen mag«, steht für die Gegenrichtung dieser Dimension.
Verträglichkeit: die Kooperationsbereitschaft
Wie nachgiebig/altruistisch/harmoniebedürftig/umgänglich ist jemand? Emphatisch und warmherzig, freundlich, stets um Harmonie bemüht – so sind Menschen, welche auf der Verträglichkeitsskala weit oben angesiedelt sind. Das andere Extrem wäre zum Beispiel eine streitsüchtige und rechthaberische Person. Jemand, der unbedingt seinen Willen durchbringen möchte, koste es, was es wolle.
Gewissenhaftigkeit: die Selbstdisziplin
Wie zuverlässig/organisiert/ordentlich ist jemand? Als diszipliniert würde man wohl Menschen beschreiben, welche auf dieser Persönlichkeitsdimension höher skalieren. Wer gern Verantwortung übernimmt, planungsvoll ist sowie seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt, wird sich hier wiederfinden. Schusseligkeit sowie das Aufschieben von Arbeiten charakterisieren demgegenüber eher Menschen, die als weniger gewissenhaft gelten. Sprunghaftigkeit und Ablenkungsbereitschaft (vor allem im Kontext der Arbeit) wären auf dem Gegenpol ebenfalls einzuordnen.
Dank des »Big Five«-Persönlichkeitsinventars können Psychologen allein anhand von fünf Dimensionen Persönlichkeit entschlüsseln. Aus Forschungssicht, aber auch als Klassifikationsinstrument für diagnostische und therapeutische Zwecke eine Meisterleistung, welche Allport und Gordon mit ihrem lexikalischen Ansatz vollbracht haben. In Studien ist das »Big Five«-Persönlichkeitsinventar hinreichend geprüft und darf inzwischen als fundamental angesehen werden. Viele andere psychologische Modelle bauen auf diesem empirisch gut geprüften Ansatz auf, welcher es möglich macht, sich selbst und andere Menschen in seinem Umfeld bewusst oder unbewusst zu charakterisieren.