Der neue Mensch: Transhumanisten, Gurus und geistige Eliten
Manche Projekte und Ideen, die mit dem Prinzip Narzissmus verwoben sind, begnügen sich nicht damit sich abzusondern, sondern man fühlt sich hier zu Höherem berufen und macht mit der narzisstischen Idee, sich die anderen gleich zu machen dann ernst. Fortschritt zeichnet sich durch den Wettstreit diverser Ideen aus und lebt gerade von der Unterschiedlichkeit. Den diversen Lebens- und Erscheinungsformen des Prinzips Narzissmus ist gemeinsam, dass ihnen diese Idee des Fortschritts durch Vielheit und divergierende Stimmen zutiefst suspekt ist, denn in der Welt der Asymmetrie gibt es stets einen, der es besser kann als andere.
Dies ist der Geist, der auch viele Transhumanisten vereint, die den Menschen als ein bestenfalls halbfertiges Mängelwesen sehen, den sich auf allerlei Arten verbessern wollen, im Grunde auf die Weise, so ihre Überzeugung, wie die Natur es auch macht, nur gezielter, schneller, effektiver und ohne Umwege. Und wer könnte schon was dagegen haben, wenn der Mensch hier und da ein weniger widerstandsfähiger, gesünder, leistungsfähiger wäre, auch soziale Eigenschaften könnte man gezielt optimieren. Eine Welt aus der Designerküche, die Probleme und soziale Spannungen auf die Ebene technischer Machbarkeit reduzieren. Jede unerwünschte Abweichung von der Norm ist eine Fehlfunktion, nur was die Norm sein sollte und wer das, aufgrund welcher Kriterien, festlegt, das alles scheint bereits klar und kein Problem zu sein. Drauf hinzuweisen, dass dies durchaus nicht so ist, ist abermals unnötige Spielverberberei, wenn man erst alles was stört wegmachen kann, ist die Welt doch super, oder? Dass ist der Stoff aus dem nahezu alle klassischen Dystopien gestrickt sind.
In eine ähnliche Richtung gehen die Ideen einiger Gurus, wenn sie die Absicht haben, sich andere gleich zu machen. Im Westen wir das Guruwesen ohnehin mit Argwohn betrachtet und ist im Grunde nicht in unsere Lebenswelt zu übertragen, die es nicht kennt, sich jemandem in dieser Weise zu unterwerfen. Der Gedanke kommt natürlich Menschen mit narzisstischem Potential ungeheuer reizvoll vor, die dann als Repräsentant der Gottheit oder Erleuchtung verehrt werden. Ob man dann gütig, weise, rätselhaft oder strafend agiert, diese Rolle bedient nahezu alle Register dessen, was das Prinzip Narzissmus hergibt und wenn das eigene narzisstische Potential nicht hinreichend bewusst und aufgearbeitet ist, kommt es immer wieder auch zu Verfehlungen, die man in diesem Bereich kennt. Was der Idee der Erleuchtung jedoch nichts nehmen soll.
Dem Gurutum ein wenig verwandt sind bestimmte Salons, Kreise, Gesellschaften und Zirkel, in denen sich die Eliten des jeweiligen Zeitgeistes, themenspezifisch und regelmäßig zusammenfinden. Der Think Tank, die Loge, diese oder jene geheime Gesellschaft, in der sich bedeutende Menschen, oder die, die sich dafür halten, treffen, um die Welt voran zu bringen. Es ist emotional oft erhebend, wenn man jemand im Kreise der Besonderen sein darf, auf einmal spürt man etwas davon, wie es ist, am großen Rad des Schicksals zu drehen, echtes Kraftfutter für das Ego. Und in der Tat kann er erhebend und befreiend sein, sich mit Menschen austauschen zu können, die ziemlich auf der gleichen Wellenlänge sind und wenn es sich um Menschen handelt, die ansonsten wenig andere haben, mit denen sie sich regelmäßig austauschen können, ist so eine Gemeinschaft ein Segen, doch de Gefahr abzuheben ist natürlich immer ein Stück weit mit dabei.
Hier ist ein Bogen geschlagen, zu jenen Superstars und Selbstoptimierern, die wir anfangs vorstellten. Es sind immer ähnliche Elemente, die auftauchen und uns bei unserer kleinen Reise durch das Leben und Erleben des Prinzip Narzissmus begleiten. Beim genialen oder auch weniger genialen Künstler erwarten wir geradezu einen gewissen Grad an Narzissmus und Exaltiertheit. Hier ist der Drang die perfekte Show abzuliefern Profession und je mehr man mit dem Objekt, der Rolle, dem Werk verschmelzen kann, umso besser gelingt es oft. Es sind manchmal große und bezaubernde Momente, die uns von solchen Künstlern geschenkt werden, die im Alltag mindestens mal ziemlich auffällig wären oder dort versagen. Aber immer nur Alltag und ein Leben, das wie Dienst nach Vorschrift klingt und schmeckt, das muss man auch nicht haben. Mindestens die Möglichkeit der Flucht, dass es besser, anders werden könnte, ist das was viele Menschen am Leben hält, der Ausbruch ins Besondere, in den Genuss, den man sich bisweilen gönnt.
Damit nähern wir uns einem Bereich, mit dem wir diesen Teil schließen wollen. Das Prinzip Narzissmus grassiert. Das würde es nicht tun, wenn nicht irgendwas daran auch attraktiv wäre. Sich über ein besser sein ein überlegen sein zu definieren, ist immer auch eine Lust, von der Idee des Wettkampfs leben vielen Sparten: Sport, Mode, Unterhaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und so weiter. Daran Anteil zu haben und sei es nur in einer privaten und gefühlten Nische, ist durchaus erhebend. Die anderen wissen das sowieso nicht zu schätzen, ich schon. Ein bisschen Dekadenz oder einfach Fähigkeit zum Genuss. Die gesunde Seite des Prinzips Narzissmus und damit die Einleitung der Frage:
Was darf man eigentlich noch tun, wenn alles als krankhaft bewertet wird?
Soweit ich das sehe, gibt es keine klare Linie, ab der man definitiv sagen kann, dass man hier ins Krankhafte gerutscht ist, zumal schon die Trennlinie zwischen gesund und krank nie ganz genau angegeben werden kann. Ich würde auf dem Prinzip Narzissmus allerdings nicht so herumreiten, wenn ich darin nicht eine recht umfassende Gefahr sehe, deren Auswirkungen man nicht nur als Zukunftsbild an die Wand malen muss, sondern die wir gerade live erleben. Wir ächzen darunter, warum ich das glaube, dazu mehr im letzten Teil, doch hier möchte ich noch einmal auf die andere Seite verweisen, das was ich in Ich-Schwäche anklingen ließ, dass wir nämlich vom Prinzip Narzissmus auch etwas lernen können und wenn es nur der Genuss ist.
Es ist ein eigenes Großthema, ob wirklich jede Eigenschaft und Eigenheit des Menschen letztlich sinnvoll an ihrem Platz in der Welt ist. Das Böse, das mit schweren Formen des finsteren Narzissmus verknüpft ist, hätte dann noch den Wert als abschreckendes Beispiel zu dienen, aber letztlich ist das ein wenig dünn. All die Eigenschaften, die ins Negative kippen können sind durchaus auch positiv, für die gut gelaunten Narzissmusformen gilt das fast durchgehend, bei den finsteren Formen muss man näher hinschauen, aber in Heilige und Psychopathen stellten wir dar, dass durchaus sogar einige Eigenschaften von Psychopathen der für die Gesellschaft nützlich sein können.
Aber klar ist, dass das, was in der Selbstoptimierung zu weit geht, in dem Wunsch sich zu verbessern, sein positives Pendant findet. Nicht nur weil man irgendwelchen Normen entspricht, gelobt wird oder effizienter wird, das Leben fällt einem auch selbst leichter, man ist Stolz auf sich und je mehr man versteht, umso interessanter wird die Welt. Je mehr man sich die Welt der inneren Beziehungen erschließt, umso bunter und reicher wird auch die Außenwelt. Die Sorge um sich selbst kann so weit gehen, dass man als Hypochonder selbst schwer darunter leidet oder andere rücksichtslos ausbeutet, doch auf sich zu achten ist natürlich im Paket der Sorge, die man um die Welt haben sollte, mit drin und im eigenen Ich sind die Probleme dann auch am besten anzugehen, zumindest theoretisch. Aber sich um sich selbst zu kümmern und einen gewissen Selbstwert zu verspüren, wehrhaft und stark zu sein, das ist nicht verkehrt. Bei anderen beliebt zu sein und zu wissen, wie man sich beliebt macht, ist nicht schlecht, wenn man es nicht dazu ausnutzt, um sich als Opportunist zur Ruhe zu setzen und jedem zu erzählen, was er hören will, einzig um beliebt zu sein und zu bleiben.
Genuss, wahrer Genuss, der Genuss sich auf das Leben einzulassen, ist einer der exemplarischen Kipppunkte. Narzissten wollen die Besten sein und immer nur das Beste haben. Wer will das nicht? Das führt uns zu der philosophischen, aber keinesfalls sinnlosen Frage, was denn nun das Beste ist. Narzissten haben, wenn sie gut sind, einen Sinn dafür, wenn sie nicht so gut sind immerhin einen für die angesagtesten Modeströmungen. Mit dem Prinzip Narzissmus verbündet kann man Dinge, Menschen und Situation ungeheuer besonders machen, sie idealisieren. Das macht diese Momente manchmal einzigartig, die Aura mancher Narzissten hat etwas Mitreißendes, vor allem, wenn sie sich noch nicht abgenutzt hat. Das Beste ist oft nichts Starres, sondern situativ. Das verfehlen manche Narzissten, die meinen, es gäbe den besten Wein, Musiker oder das beste Auto oder Buch und dann beginnen die oft so anstrengen Tiraden, mit denen sie alles andere einreißen wollen, was anders ist, als das, was sie aktuell idealisieren. Ihre Begeisterung mag kompensatorisch sein, aber als diese Kompensation ist sie echt. Die Kunst scheint darin zu liegen, sich die Begeisterungsfähigkeit zu erhalten, ohne Idealisierung funktioniert etwas wie Liebe nicht und anderen die Möglichkeit zu lassen, das zu finden, was sie in Hochstimmung versetzt.