Frau im Profil, vor blauem Hintergrund, weißer Atem

Der Atem strömt kontinuierlich ein und aus … © LastHuckleBerry under cc

Holotropes Atmen ist eine Atemtechnik, die in sehr ähnlicher Weise unter verschiedenen Namen kursiert und sich dadurch auszeichnet, dass man zwischen dem Ein- und Ausatem keine Lücke lässt und den Atem verbindet.

Meine erste Erfahrung mit dem holotropen oder verbundenen Atem fand in einem geschützten therapeutischen Umfeld und einer Gruppe von etwa zehn weiteren Teilnehmern statt. In lockerer Kleidung lagen wir entspannt auf dem Rücken, unter uns ein angenehm weicher Teppich. Die Augen wurden geschlossen und zu sanfter Musik folgte die Einführung in eine leichte Trance, durch einen Atemtherapeuten, die den anderen Teilnehmern und mir bereits bestens bekannt und daher nicht mehr spannend, sondern tatsächlich entspannend war. Das sollte sich bald ändern.

Allmählich nahmen Musik und Stimme einen etwas intensivieren Charakter an, wir wurden angehalten, zwischen den Atemzügen keine Pause entstehen zu lassen, sondern nach dem Ausatmen sofort wieder einzuatmen: „Tief und voll und ganz bewusst“, wie es hieß. Im Grunde war das schon die ganze Gebrauchsanweisung für die nächste Zeit, in der jeder von uns eine Reise in sein Inneres antrat, die hatte es dann in sich.

Ich atmete wie vorgeschrieben, ohne Pause ein und aus. Bei mir begann es mit einem seltsamen Kribbeln an den Schläfen, so dass ich die Phantasie hatte, jemand hätte mir dort eine Rheuma-Salbe oder so etwas aufgetragen. Allerdings bemerkte ich davon nichts und ich fragte mich auch, wozu das hätte gut sein sollen. Doch das Kribbeln war schon recht bald nicht mehr interessant. Während dessen atmete ich weiter, die Musik wurde immer intensiver, rhythmischer, energetischer, die Atemzüge flossen wie von selbst und ich überlegte kurz, ob ich das bin, der da den Atem kontrolliert oder ob irgendwas einfach von selbst atmet, als ich plötzlich merkte, wie meine Hände sich selbstständig machten und neben den Schultern zu liegen kamen. Warum, wusste ich nicht, lösen konnte ich das in dem Moment auch nicht, ich hatte aber auch nicht das Bedürfnis, das einzige was ich unablässig machte, war atmen.

Doch damit war die Geschichte noch längst nicht zu Ende. Trotz der lauten, noch immer intensiver und dynamischer werdenden Musik hörte ich meinen keuchenden Atem, der sich anhörte wie beim Sex oder wenn man einen steilen Berg mit dem Fahrrad hochfährt. Doch beim Sex oder der privaten Bergetappe wird die Energie des Sauerstoffs für die Muskeln gebraucht, der Körper ist gerade schwer aktiv, beim holotopen Atmen eher nicht, zu den unterschiedlichen Spielarten später.

Da liegt man da und erlebt sich, wie man sich selbst nicht kennt. Abgesehen davon, dass meine die Hände, wie durch einen unsichtbaren Magneten an die Schultern getackert schienen und ich neben meinem keuchenden Atem noch die Anweisungen des Atemtherapeuten und die Musik vernahm, hörte ich neben meinem Ohr die hilfreiche Stimme einer auch mir zugeordneten Therapeutin, die mir ins Ohr flüsterte: „Weiter atmen. Der Atem trägt Sie da durch.“ Einfacher kann eine Anweisung im Grunde nicht nicht, atmen tun wir ohnehin unablässig. Äußerlich wurde das Bild, was ich und auch die anderen boten immer spektakulärer. Zu meinen verkrampften Armen kamen jetzt noch wellenartige Bewegungen hinzu, die durch den ganzen Körper gingen, als wäre oben am Scheitel ein Haken angebracht und mein Körper von Impulsen, wie von einer Hand, die eine Peitsche führt zu diesen Wellenbewegungen animiert. Doch ich hatte keine Gelegenheit mir darüber nähere Gedanken zu machen, ich merkte auch nicht genau, wie mir das passierte, sondern einfach, dass es mittlerweile wohl schon seit einiger Zeit der Fall war, dass mein Körper irgendwie machte, was er wollte und sich auch hier meiner Kontrolle entzog.

Aus einer anderen Ecke des Raumes hörte ich laute Schreie, die aber irgendwie passend waren und nicht störten, so wie überhaupt wenig da war, von dem man sich vorstellen konnte, dass es stören könnte. Atemzug für Atemzug ging es einfach immer weiter und nichts schien diesen Zug stoppen zu können. Ich hatte noch nicht mal die Möglichkeit mir Sorgen darüber zu machen, dass ich ja gar nicht wusste, wo die Reise eigentlich hin ging. Ich bin in einen Zug eingestiegen, der irgendwie immer schneller wurde und so spektakulär das Äußere auch sein mag, das Wesentliche findet im inneren Erleben statt. Die Eindrücke innen und außen rauschten immer schneller an mir vorbei, inzwischen bemerkte ich ein eigenartiges Gefühl der Enge, die Außenwelt drang nur noch bruchstückhaft zu mir durch, alles war Atmen und das Atmen war inzwischen reines Keuchen. Meine Therapeutin hat bemerkt, an welcher Stelle ich war und wieder hörte ich die Stimme: „Weiter atmen, der Atem trägt Dich da durch“ und so atmete ich weiter, ohne das Gefühl zu haben, dass es einen Plan B geben könnte, der Zug war ohne Rückfahrticket gebucht. Die Arme verkrampft, den Körper durchpeitschten Wellen, die Musik hatte inzwischen ihr maximales Niveau erreicht, von anderswo, Keuchen und Schreien, innerlich das Gefühl der Unausweichlichkeit und einer ungeheuren, aber ziellosen Intensität, gepaart mit einer wachsenden Enge, so als müsste da etwas überwunden werden, ein Prozess der in seinem langsamen aber kontinuierlichen Ansteigen nun schon vielleicht eine Stunde dauerte und auf dem Höhepunkt …

Ausgeschaltet

… war auf einmal nichts und niemand mehr. Ich kann nicht sagen, dass da alles schwarz und still war, weil ich gar nicht sagen kann, dass da überhaupt irgendeine Empfindung war. Ich war einfach nirgendwo, völlig ohne Empfindung und erst durch das Zurückkommen fühlte ich, dass ich nun wieder hier war. Das „woanders“ bezieht sich nicht auf den Raum, kein Zweifel, ich lag auch in der Zeit in der ich „weg“ war auf dem weichen Teppichoden, mit den anderen, die gerade zum ersten oder wiederholten Mal holotropes Atmen erlebten.

Als ich wieder da war, fühlte ich mich erschöpft, aber glücklich und war mir bewusst, dass ich so etwas bislang noch nie erlebt hatte. Es war still, die Musik war sanft, wir wurden in Decken eingepackt und wir sollten den Erlebnissen noch eine ganze Zeit nachspüren, verarbeiten und genießen, was wir eben erlebt haben und diese Erlebnisse bei uns zu behalten. Mein Empfinden war, dass ich woanders war und als sei ich in dieser Zeit wie ausgeschaltet gewesen, ohne dass sich das im mindesten falsch oder bedrohlich angefühlt hätte. In weiteren Atemsitzungen sollte sich das Erlebnisspektrum noch verfeinern, aber die Tür in diese andere Erlebensform wurde in diesen zwei Stunden geöffnet, Muskelkater am nächsten Tag inklusive.

Über das Wegsein kann ich nichts weiteres sagen, aber das Gefühl danach kann ich beschreiben. Ein tiefer Friede, der zu einem Teil sicher aus einer körperlichen Erschöpfung resultiert, aber das Gefühl war anders als nach intensivem Sport kaputt zu sein. Da war noch mehr. Es war einer jener Momente, in denen die Welt stimmt, in Ordnung ist, genau hier und jetzt und die daher mit einer fundamentalen Bedürfnislosigkeit einhergehen.

Bitte nicht alleine nachmachen!

Neugeborenes beim ersten Atemzug, Hand, Trichter

… mit dem ersten Atemzug beginnt unser Leben … © Geoff Livingston under cc

Dieser Warnhinweis ist ernst gemeint, aus mindestens zwei Gründen. Zum einen, ist ein schützendes Umfeld das A und O bei den ersten Malen. Menschen, die wissen, was da innerlich passiert, weil sie es selbst erlebt haben und daher nachvollziehen können, was derjenige, der da liegt und sich eventuell windet gerade durchmacht und wie man darauf reagiert. Zum anderen, kann ein unsachgemäßes Herumprobieren fatale Folgen haben, da auch mache beängstigende Situationen während Panikattacken ein ähnliches Atemmuster zeigen, ebenfalls verbunden mit dem Gefühl in einer Situation zu sein, die man nicht beherrschen kann und in der man eben panische Angst, manchmal vor dem drohenden Tod erfährt. So etwas ist traumatisierend und nichts, mit dem man spaßen darf.

Medizinisch gesehen erfolgt nämlich in beiden Fällen dasselbe. Im Rahmen einer Panikattacke und einer holotropen Atemsitzung, handelt es sich um eine gezielt herbeigeführte Hyperventilation, im beschriebenen Fall samt folgender Hyperventilationstetanie. In beiden Fällen ereignet sich eine Verschiebung des subtilen und hochempfindlichen Säure/Base-Gleichgewichts im Blut (nicht im Urin!), dass in seltenen Fällen einer respiratorischen (durch Atmung) oder metabolischen Verschiebung in Richtung Azidose (zu sauer) oder Alkalose (zu basisch) entgleisen kann. Bei der gezielten oder psychogenen Hyperventilation kommt es zu einer respiratorischen Alkalose, durch Sauerstoffüberschuss und eine Verschiebung in Richtung basischem Stoffwechsel.

Aber erklärt das alles? Ist das einfach ein immer gleich ablaufender Prozess, wie Essen und Verdauung oder die allergische Kaskade? Nein, denn es ist zwar so, dass holotropes Atmen mit einer Hyperventilationstetanie einher gehen kann, aber dies muss nicht so sein, vor allem wenn man ein wenig Erfahrungen gesammelt hat. Es kann durchaus sein, dass es über mehrere Sitzungen überhaupt nicht zu einer Tetanie kommt, das sind die beschriebenen Krämpfe im Körper und dann doch wieder einmal. Das Aufkommen der Krämpfe hängt auch nicht damit zusammen, dass man in diesen Fällen vielleicht doch nicht so tief geatmet hat. Es gibt Atemsitzungen in denen man tief und voll atmet, tiefe Erfahrungen macht und es kein bisschen zu Krämpfen kommt, in anderen Fällen hingegen kommt es schnell dazu. Aber es geht bei all dem nicht darum, mal ein paar lustige Muskelkrämpfe zu erleben.

Holotropes Atmen und sein tieferer und therapeutischer Sinn

Holotropes Atmen führt einen von der Enge, in die Weite. Enge ist sprachlich nicht zufällig verwandt, mit dem Begriff der Angst, sondern alle Angstsituationen sind Engesituationen: Enge der Atmung, Engstellung der Adern, der Muskulatur, aber auch eine Enge der Weltanschauung. Diese Enge kann man dadurch lösen, indem man der Kohlendioxid Abatmung bei der Hyperventilation begegnet und den Betroffenen in eine Tüte atmen lässt. Dort sammelt sich das verstärkt abgeatmete Kohlendioxid und wird beim nächsten Mal wieder eingeatmet. Die Krämpfe kann man durch Injektionen mit entkrampfenden Psychopharmaka lösen. Oder man macht die Erfahrung, dass man durch die Enge hindurchgehen kann, indem man einfach das tut, was man sowieso tut: weiter atmen. Im Idealfall tief und voll und ganz bewusst, aber die Angst zu Ersticken oder eine Panikattacke ist alles andere als der Idealfall. Aber wenn Hyperventilationsattacken wiederholt auftreten, ist die Frage, ob es nicht besser ist, einmal da durch zu gehen und dem Spuk ein Ende zu bereiten. Was man selbst erlebt hat, glaubt man und wenn man selbst erlebt hat, dass man in diesen Situationen nicht stirbt und noch nicht mal Panik erleben muss, umso besser. Das kann ein Kehrtwende bei genau solchen Krankheiten bedeuten.

Genau in diesem Kontext wird das holotrope Atmen auch eingesetzt. In dieser Version ist es von Stanislav Grof kreiert worden, ein tschechischer Psychiater und Bewusstseinsforscher, der ursprünglich mit LSD arbeitete, um Patienten mit schweren Erkrankungen bestimmte Erfahrungen zu zeigen, die ihnen helfen sollten, die Angst vor dem Tod zu verlieren. Grof übersiedelte in die USA und dort erhielt er keine oder nur höchst selten Genehmigungen für die therapeutische Arbeit mit LSD und aus dieser Not machte Grof eine Tugend und das holotrope Atmen entstand, das bestimmte Atemmuster kopierte, die in einigen Phasen der LSD Sitzung auftraten.

In ähnlicher Weise machte der deutsche Arzt, Autor und Psychotherapeut Rüdiger Dahlke mit dem Atem erste Erfahrungen. Als junger Medizinstudent flog er von Bombay (Mumbai) nach München zurück, als über den Lautsprecher gefragt wurde, ob ein Arzt an Bord sei. Da sich niemand meldete, raffte Dahlke sich auf und fragte, was los sei. Der Notfall war ein sehr dicker Araber, der wild mit den Armen ruderte, Schweißperlen auf der Stirn und Panik im Blick hatte und in Emryonalhaltung da lag. Was er ansonsten tat, war so zu atmen, wie ich es oben beschrieben habe, nur leider nicht in einer geschützten Umgebung, sondern an Bord eines Flugzeugs mit einem mutigen Medizinstudenten, der aus seinem Studium wusste, dass die Situation lebensbedrohlich werden könnte. Die Beschriftung der Medikamente im Notfallkoffer konnte Dahlke nicht lesen, die Versuche mit der Tüte vor dem Mund scheiterten an der Gegenwehr des arabischen Mannes, so blieb nur, irgendwie beruhigend auf den panischen Menschen einzuwirken, was ansatzweise gelang, ohne dass sich seine starken Krämpfe besserten. Das allerdings sollte sich ändern, buchstäblich von einem Moment auf den anderen und so lösten sich die Krämpfe und wichen einer „fassungslosen Glückseligkeit“, er weinte Tränen des Glück und der Erleichterung und umarmte nun jeden, den er in die Arme bekam und sagte, von der Stewardess übersetzt, dass er „so viel Liebe“ und Glück erlebt hatte.[1]

Verbundenes oder holotropes Atmen bringt einen in einen Bereich, in dem sich viele Erfahrungen überschneiden. Einerseits scheint es eine drogenfreie Drogenerfahrung zu sein, je nach Schule werden aber immer andere Aspekte betont. Erfahrungen der Spiritualität, der Sexualität aber vor allem auch der Geburt treten immer wieder auf und werden in den unterschiedlichen Schulen unterschiedlich betont. Nicht nur die Angst vor wiederholter Hyperventilation im Rahmen von Angststörungen kann so überwunden werden, auch die Angst vor dem Tod und Geburtstraumata können nach Ansicht einiger Schulen gelöst werden.

So ergeben sich nach Grofs Forschungen vier perinatale Matrizen, also Grundmuster bei denen der Geburtsprozess schwierig werden kann und diese sollen mit psychopathologischen Mustern aber auch Vorlieben und Interessen im weiteren Leben zu tun haben. Tatsächlich werden auch beim verbundenen Atmen oft Geburtserlebnisse reaktiviert, was einerseits nicht gehen kann, da ein sich erinnerndes Nervensystem in dieser Phase des Lebens noch nicht ausgebildet sein soll, andererseits kommen bei den Erfahrungen der einzelnen Teilnehmer immer wieder Ereignisse zum Vorschein, die auf Nachfrage von der Mutter bestätigt werden konnten, ohne dass die Atmer vorher davon wussten. So muss sich auch hier jeder sein eigenes Bild machen. Auch ich habe Geburts“erinnerungen“ gehabt, die mir vorher unbekannt waren, die sich in einem andauernden Gefühl noch hinten, unten gezogen zu werden manifestierten.

Doch der Nutzen, den man aus den systematischen Sitzungen ziehen kann, ist vielschichtig.

Muster erkennen in den Disziplinen: liegend, stehend, schwebend

Ob sich nun die Geburtsmuster im Leben wiederholen, oder nicht, Muster kann man beim Atmen in jedem Fall erkennen und gleichzeitig den Weg nach Innen vertiefen, ein weiterer Ansatz neben der Meditation und der Reflexion. Man lernt mit der Zeit mit dem Atem ein wenig zu spielen, ist man bei den ersten Malen noch dem Atem ausgeliefert, so merkt man mit der Zeit, dass man den Atem auch dosierter einsetzen kann und dennoch in jene Erfahrungsbereiche kommt, die man anstrebt. Ist man aber zu faul, wird die Schwelle nicht erreicht und man erlebt nichts, außer bei Musk zwei Stunden mittelstark zu atmen.

Bei mir ist es tatsächlich häufig so, dass ich am Höhepunkt des Atmens weg bin und dieses Wegsein, kann durchaus mit, für Unbeteiligte erschreckend langen Atempausen einhergehen. Der Körper ist allerdings durch die tiefen und unausgesetzten Atemzüge so übervoll mit Sauerstoff, dass das erst mal für längere Zeit reicht. Den gleichen Effekte nutzen Menschen, die unter Wasser tauchen. Nicht der eine tiefe Atemzug ist entscheidend, sondern, dass man mehrere Male tief ein- und ausatmet. Irgendwann weiß man, dass man durch die Enge kommt, was am Anfang überraschend ist, ist es später nicht mehr, was man dazu nutzen kann, die Innenwelten nun systematischer zu erforschen. Auch bei mir haben sich nicht jedes mal Krämpfe eingestellt, auch dann nicht, wenn ich tief und voll geatmet habe.

Mitunter kann man Dinge erleben, die man aus dem Alltag nicht kennt. Wir alle kennen Gefühle des Glücks und der Leids und so gut wie immer würden wir sie sofort mit äußeren Ereignissen verknüpfen. Ich bin glücklich, weil …, ich bin traurig, wütend oder ängstlich, weil …, aber beim verbundenen Atmen erlebt man Gefühle in ihrer reinen Form, ohne ihre Anbindung an äußere Ereignisse. Reine Emotionen, reine Energie zu spüren, das erinnert ein wenig an die Archetypen des Platon, jene Urideen, die die eigentlichere oder andere Seite der Wirklichkeit darstellen sollen. Da mir selber beim verbundenen Atmen die Begegnung mit etwas, was ich als so eine reine Emotion bezeichnen würde, widerfahren ist, stellt sich mir die Frage, ob die Ideenlehre wirklich ausgedacht ist oder nicht zu einem guten Teil auf Erfahrungen beruht, jenen, dass bestimmte Emotionen zu haben eben nicht notwendig mit dem verbunden sein muss, was wir als Träger derselben deuten, sondern, dass wir diese reinen Formen in uns finden oder was auch immer man da besucht, wenn man die diversen Pfade nach Innen betritt.

Ob man die Erkenntnisse eher zufällig oder systematisch gewinnt, hängt einerseits davon ab, wie oft man solche Atemsitzungen macht und ob man sie erforschen und vergleichen möchte, oder ob es einem reicht, wenn man durch die eindrucksvolle Wucht der Erlebnisse die eigene Welt ein wenig oder komplett anders deutet, als zuvor.

Dass verbundenes oder holotropes Atmen im Liegen stattfinden kann, ist einsichtig und wurde bereits oben beschrieben. Interessant ist, wenn man ein wenig Übung hat, dies stehend zu wiederholen. Einerseits ist es erstaunlich, dass man diese Stellung mit leicht gebeugten Knien über zwei Stunden durchhalten kann, zum anderen habe ich bei keiner anderen Disziplin so intensive körperliche Entladungen erlebt. Die Bewegungen die im Liegen wie Wellen durch meinen Körper gingen, durchschossen diesen auch beim Stehen und es sind ganz eigenartige Kaskaden, die man nicht künstliche herbeiführen kann, da die Frequenz der Bewegungen zu schnell war, um sie zu imitieren. Es ist mir zumindest vorstellbar, dass es sich um Kundalini Phänomene gehandelt haben könnte, zumindest habe ich auch hier eine Ahnung, wie man auf die Idee kommen kann, dass es diese Energien im Körper geben gibt. Auch dies scheint mir nicht einfach nur erfunden zu sein.

Schwebend meint im Wasser, genauer gesagt, im idealerweise körperwarmen Thermalwasser, eine Übung, die nur unter annähernd idealen Bedingungen möglich ist und mit eingespielten Partnern, die über eigene Erfahrungen mit dem verbundenen Atem und den Wasserübungen verfügen. Hier wird der ohnehin schon sagenhafte Effekt des Wassers mit dem des verbundenen Atems kombiniert, was die Erfahrungen des Schwebens und Losgelöstseins noch einmal intensiviert. Es spricht manches dafür, dass man das im Leben so wichtige Urvertrauen, wenn man es nicht von Kindesbeinen an erworben hat oder ein genetischer Optimist ist, hier nachträglich doch noch erleben kann und ein Gefühl der Geborgenheit gewinnen kann, das man sonst kaum kennt. Entsprechend sorgsam sollte man sein, dass diese Erfahrungen nicht schief gehen.

Die verschiedenen Richtungen, ihre Nutzen und Risiken

Sonne Berge Wolken

… und der Atem kann uns in Regionen einer kaum gekannten Freiheit führen. © Geoff Livingston under cc

Holotropes Atmen heißt jene Technik, die Stanislav Grof gefunden und ausgebaut hat. Hier wird besonders die von der Enge in die Weite Thematik bearbeitet und die Engethematik wird manchmal durch ein Drücken auf die Brust forciert.

Verbundenes Atmen nennt Rüdiger Dahlke seinen Ansatz. Hier wird das körperliche Agieren weniger betont, dass Gewicht liegt eher auf dem bewussten Erleben des Atems und der Bewusstwerdungen innerer Erfahrungen und tiefenpsychologischer Muster.

Rebirthing heißt der von Leonard Orr entwickelte Ansatz, der als einer der frühen Vertreter auch die Fehler der Pioniere mitnahm. Technisch ist hier alles sehr ähnlich, bestanden einige Problematiken der Rebirthing Gruppen darin, dass man Menschen zwar eindrucksvolle Erfahrungen machen ließ, sie salopp gesagt damit dann aber sogleich wieder nach Hause schickte, ohne dass sie das Erlebte verarbeiten konnten und ohne, dass sie „geerdet“ wurden.

Der Körpertherapeut Alexander Lowen berichtet ebenfalls von dieser Atemtechnik, die er wiederum bei Wilhelm Reich einem schillernden, vielseitigen und umstrittenen Forscher der im vorletzten Jahrhundert geboren wurde, erlernte. In dieser Spielart wird eher die sexuelle und orgiastische Variante betont.

Für alle Richtungen kann man die Hinweise über Risiken und unerwünschte Wirkungen des holotropen Atmens aus der Wikipedia übernehmen und übertragen:

Holotropes Atmen im klinischen Setting bedarf sorgfältiger Vorauswahl der Teilnehmer nach Indikationsstellung.

  • Wegen der intensiven und ekstatischen Qualität ist die Methode nur bei Personen mit normaler körperlicher und seelischer Belastbarkeit angeraten, bei Epilepsie, schwerem Asthma, schweren Herz-Kreislauferkrankungen, Glaukom, nach Operationen und schweren Knochen- und Gelenksproblemen oder schweren Infektionen könnten wegen der Belastungen unerwünschte Komplikationen auftreten.
  • Hyperventilation kann auch außerhalb des holotropen Atmens im Rahmen von Angststörungen und Panikattacken unbeabsichtigt auftreten und dann von starken kardiovegetativen Angstsymptomen begleitet sein. Panikattacken können daher auch umgekehrt durch Hyperventilation ausgelöst werden. Als problematisch gilt dabei die flache Hechelatmung, die Panikattacken begleiten kann. Stattdessen wird beim holotropen Atmen auf eine tiefe Atmung Wert gelegt. Aus der Sicht der Anwender des holotropen Atmens können gegebenenfalls auftretende Paniksymptome während der Atemarbeit als „Begleitumstände des Transformationsprozesses“ angesehen werden.
  • Eine absolute Kontraindikation gibt es bei epileptischem Anfallsleiden und akuten Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis. Ebenso ist holotropes Atmen bei Schwangerschaft nicht angezeigt.
  • Wie bei allen kathartisch ausgerichteten Methoden ist insbesondere beim holotropen Atmen eine Risikoabwägung durch den Psychotherapeuten bei dissoziativen Störungen, bei emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen, komplexen oder frühen Traumatisierungen und bei schweren Strukturdefiziten im Sinne der OPD-II erforderlich und im Zweifelsfall die Teilnahme eher abzulehnen. Die holotrope Atemarbeit mit diesen Störungsbildern sollte nur von erfahrenen Psychotherapeuten im Rahmen eines stark haltgebenden klinischen Gruppensettings und nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen.[2]

Man darf guten Gewissens annehmen, dass die Technik aber bereits sehr viel älter ist, denn die indischen Yogis sind auf Wege nach Innen spezialisiert gewesen und eine der großen Stufen des Yoga ist das Pranayama Yoga, das eine systematische Atemschulung darstellt mit alle denkbaren und undenkbaren Feinheiten, so dass es verwundern würde, wenn den Yogis diese Atemtechnik entgangen wäre.

Dazu passt auch eine Anekdote, die Rüdiger Dahlke gerne in dem Zusammenhang erzählte. Als er nämlich seine Atemtechnik gefunden und verfeinert hatte und damit schon schöne Ergebnisse erzielte, wollte er sie einem indischen Yogi vorführen, den er zuvor schon kannte. Der Yogi machte bereitwillig mit, legte sich mit den anderen nieder, atmete, anders als die anderen, tatsächlich tief und voll, in einem Umfang, den das Team dort noch nicht gesehen hatte, aber statt irgendwelche Krämpfe zu erleiden und im Atemzug nach Nirgendwo zu sitzen, stand er nach etwa 20 Minuten intensiven Atmens ungerührt und problemlos auf und meinte, dass er sich gut vorstellen können, dass diese Technik den Menschen im Westen helfen könne.

Erden und Resümee

Da holotropes Atmen eine intensive Psychotechnik ist, ist das was man Erden nennt besonders wichtig. Darunter versteht man, jemanden wieder zu sich und auf den Boden zu bringen, was besonders nach unerwarteten Erfahrungen, die nicht zu unseren Vorstellungen passen, sehr wichtig ist. Die erste Regel dabei ist sich Zeit zu nehmen um den Erlebnissen nachzuspüren und dann erneut genug Zeit nimmt, um wieder im Hier und Jetzt und im Körper anzukommen. Das heißt, dass man den Körper wieder bewusst in Besitz nimmt und in ihn hinein spürt, die Ohrläppchen massiert, sich bewusst räkelt und streckt und die Muskeln anspannt, spürt dass man da ist und die Aufmerksamkeit dabei wenn dies schwierig ist, auf die eigenen Füße richtet. Im Zweifel ist etwas Bewegung und Anstrengung gut, sowie Essen, das in dem Fall schwer und deftig sein darf. Nicht umsonst gehört beim Zen auf immer etwas wie den Boden schrubben oder Geschirr spülen dazu. Im Zweifel kann man Menschen auch ihren Körper rauf und runter spüren und beschreiben lassen, um sie dort wieder zu verankern.

Erfahrungen, die man sonst nicht gewinnt, kann man hier recht einfach machen, ein therapeutischer Nutzen bei Engeproblematiken oder wenn durch Anspannungen gestaute Energie einfach raus muss, die Möglichkeit ein Tor in Richtung Geburt, also einer regressiven Erfahrung, aber auch recht zuverlässig spirituelle Erfahrungen machen zu können und hier Erkenntnisse zu gewinnen. All das ist reizvoll und kann immens wertvoll, im Einzellfall lebensverändernd sein.

Da es sich um eine psychisch intensive Technik handelt, ist mein Hinweis dies bei den ersten Malen nicht allein zu probieren nicht augenzwinkernd gemeint oder der rechtlichen Pflicht geschuldet, sondern ernst gemeint. Nahtoderfahrungen, intensive und tiefe Mediatitonserfahrungen, sowie spontane Gipfelerfahrungen haben eine annähernd gleich starke Intensität.

Quellen