Es existieren viele Klischees zu Genies, in der psychologischen Fachsprache Hochbegabte oder Hochintelligente genannt. Lebensfern seien sie, theoretisch genial, aber praktische Versager, deren merkwürdigen Humor niemand versteht und die am liebsten alleine zuhause bleiben. Wie es bei vielen Stereotypen der Fall ist, ist auch hiervon ein erheblicher Teil falsch. Wer sind hochbegabte Erwachsene und inwiefern ist ihr Leben anders als das der anderen Menschen?
Eine Hochbegabung messbar machen
Der Intelligenzquotient (IQ) ist heutzutage ein anerkanntes Maß für die Intelligenz einer Person, zumindest ist er das Beste, was die Forschung bislang zum Thema hervorbringen konnte. Auch wenn der IQ von verschiedenen Seiten kritisiert wird, kann er verschiedene Leistungen im Leben gut vorhersagen.
Laut einer entwicklungspsychologischen Analyse spricht man klassischerweise dann von einer Hochbegabung, wenn der IQ einer Person mindestens 130 beträgt, was nur noch bei 2 Prozent der Bezugsgruppe der Fall ist. Die Bezugsgruppe ist zum Beispiel die Gruppe der gleichaltrigen Menschen.
Anstatt von hochbegabt, könnte man also auch von hochintelligent sprechen. Der Begriff der Hochbegabung schließt alle Leistungen mit ein, die intellektueller Art sind, beispielsweise das logisch-abstrakte Denkvermögen. Herausragende Leistungen in anderen Bereichen wie Musik, Kunst und Sport werden laut der gängigen Definition als Talent bezeichnet und fallen somit aus dem Hochbegabungsbegriff heraus. Damit stellt laut besagter Analyse des Entwicklungspsychologen Detlef Rost das Konzept der emotionalen Intelligenz keinen Teilbereich der Intelligenz dar, auch wenn diese Idee in der Bevölkerung viele Fans hat.
Hingegen beziehen dazu alternative Modelle durchaus verschiedene Teilbereiche der Begabung in den Hochbegabungsbegriff mit ein, wie zum Beispiel den Einfluss der Faktoren Intelligenz, Kreativität, soziale Kompetenz, Musikalität und Psychomotorik. Das zeigt, dass die Debatte um die Definition der Hochbegabung in der Psychologie und anderen beteiligten Disziplinen noch längst nicht geklärt ist. Hier stellt sich insgesamt also die Frage, wie nah der Begriff Hochbegabung sich am Intelligenzbegriff befindet. Einig sind sich die Forscher aus verschiedenen Strömungen aber darin, dass Hochbegabte eine fundamental größere Leistung in einem oder mehreren Bereichen aufweisen, als das vergleichsweise zu erwarten wäre.
Was Hochbegabte ausmacht
Eine Person wird nicht alleine zum Hochbegabten, weil sie so geboren wird. Zwar gibt es eine genetische Disposition dazu, ob jemand diese allerdings ausbilden kann, kann an der Umwelt liegen. Hier kommt Faktoren wie der Schule, dem Elternhaus und dem sozioökonomischen Status eine große Relevanz zu.
Der Bericht über die Münchner Längsschnittstudie zur Hochbegabung erwähnt interessante Ergebnisse. Laut ihm scheinen als hochbegabt klassifizierte Personen weniger anfällig für Einflüsse des Familienklimas zu sein, was sie dahingehend widerstandsfähiger macht. Das wird in dem Bericht damit begründet, dass diese Personen aktiver ihre Umwelt mitgestalten. Für hochbegabte Personen zeigten sich außerdem deutlich unterdurchschnittliche Werte auf den Skalen Arbeitsplanung und -organisation. Möglicherweise liegt das daran, dass sehr begabte Personen keine Probleme mit Hausaufgaben etc. haben und damit auch nicht auf einfache Lernstrategien zurückgreifen müssen. Insgesamt organisieren sie ihre anstehende Arbeit also viel weniger.
Hochbegabte denken nicht grundlegend anders, sondern einfach nur schneller, schreibt Rost. Auf ihrem Lebensweg kommen sie außerdem, entgegen so mancher Klischees, durchschnittlich etwas besser zurecht als ihre Mitmenschen. Im Sinne intellektueller Leistungen hochbegabte Menschen sind oft allgemein intelligent, das heißt, sie erbringen in verschiedenen Bereichen außerordentlich gute Leistungen. Das Forschungsergebnis, dass nur 50 Prozent der Hochbegabten wirklich Leistungen entsprechend ihrer Begabung vorweisen können, klingt damit erst einmal überraschend.
Underachiever: Die ängstlichen Genies
Der Name für das soeben erwähnte Phänomen ist Underachievement. Damit sind hochbegabte Menschen gemeint, die real weitaus schlechtere Leistungen erbringen als aufgrund ihrer Intelligenz vorhergesagt. Gründe dafür kann es viele geben.
Laut dem bereits erwähnten Bericht zur Münchner Längsschnittstudie zur Hochbegabung hat sich gezeigt, dass Underachiever in Stressituationen eine stärkere Beeinflussung ihrer Denkabläufe erfahren als erfolgreiche beziehungsweise klassische Hochbegabte. Des Weiteren führen sie Misserfolge eher auf sich zurück als auf die Umwelt und haben damit eine schwierigere Zukunftsperspektive. Das Ergebnis, das die Underachiever auf bis zu 50 % verortet, legt, so der Bericht, nahe, wie wichtig es ist, dass für vom Underachievement betroffene Personen eine schulpsychologische Beratung oder Ähnliches zur Verfügung steht, die sich normalerweise viel mit Fällen befasst, in denen Kinder und Jugendliche Lernprobleme haben.
Diese beträchtliche Zahl zeigt, dass hochbegabte Personen eben nicht in allem gut sind und manchmal sogar unerkannt bleiben. Von der Hochbegabung zum anerkannten und erfolgreichen Genie ist es also noch ein ganzes Stück.