In wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten ist es wichtig, einen kühlen Kopf an der Börse zu bewahren. Wenn die Kurse aufgrund von Entwicklungen am Weltmarkt schwanken, ist die individuelle Selbstregulation gefragt – vor allem bei langfristig getätigten Investments. Aus psychologischer Sicht sollte man einiges an der Börse beachten. Denn selbst positive Veränderungen am Aktienmarkt können dem Investor ein Bein stellen, wenn die Psyche für den Aktienhandel nicht ausreichend gefestigt ist. Deshalb ist es von Vorteil, sich stets an bestimmten Kennwerten zu orientieren, die man sich erarbeitet hat und anhand derer Kauf- und Verkaufsentscheidungen bei Aktien erfolgen sollten.
Besonnen investieren: Der Warren-Buffett-Weg
Eines vorab: Es gibt viele verschiedene Wege, wie man Investments tätigen kann, und noch mehr Unternehmenskennwerte, an denen man sich orientieren könnte. Im Prinzip bekommt man bereits bei der Erarbeitung einer individuellen Investmentstrategie eine Vielzahl von Möglichkeiten geboten. Einige versprechen rasch haushohe Gewinne, was unter Umständen wenig seriös anmutet. Andere bevorzugen überlegte Investments und betonen, den Fokus eher auf langfristige Renditechancen zu richten, anstatt auf kurzfristige Kursschwankungen – genauso wie es Investorenlegende Warren Buffett praktiziert.
Das »Orakel von Omaha«
Warren Buffett steht wie kaum ein anderer am Aktienmarkt für vernünftige langfristige Investitionen und nicht für halbseidene Spekulationen.
Als er vor einiger Zeit das mittelständische Unternehmen »Detlev Louis« aufkaufte, welches mit Motorradzubehör handelt, galt Buffetts Investition für viele als Anzeiger, sich stärker dem europäischen beziehungsweise deutschen Markt zu öffnen.
Buffett verkörpert den amerikanischen Traum. Als Junge hatte er bereits sein Ziel fest im Blick. Verkaufte Cola-Flaschen gewinnbringend an Arbeiter und Angestellte in der Mittagspause und baute sich so Stück für Stück seine Investments auf.
Die »Value«-Strategie
So beharrlich wie Buffett seinem eigenen Traum folgte, so schaut er auch auf die Unternehmen, in die er investiert. Buffett setzt auf Unternehmenskennwerte, die für eine krisenfeste Geschäftsführung stehen. Das heißt nicht, dass nicht auch Fehler oder Verluste im Laufe einer Geschäftsentwicklung passieren dürfen. Der Umgang des Managements damit ist für Buffett entscheidend. Welche Persönlichkeiten stehen hinter einem Unternehmen? Lernen sie aus ihren Fehlern? Für den Star-Investor ein essentieller Punkt. Außerdem ist es ihm wichtig, ob das Unternehmen über Jahre solide Rücklagen bildet und stete Reinvestitionen tätigt. Darüber hinaus sei Investment jedoch keine »Raketenwissenschaft«, so Buffett. Insofern man seine eigene Psyche im Griff hat … Denn auch Verluste hat selbst Warren Buffett in den vergangenen Jahrzehnten erlitten. Diese allerdings gelassen bewältigt und aus seinen Fehlern gelernt.
Um besonnen investieren zu können, muss man die menschliche Psyche verstehen.
Finanzpsychologie an der Börse beachten
Wenn der Homo Oeconomicus versagt, also Entscheidungen nicht mehr rein logikbasiert gefällt werden können, weil die Situationen zu komplex sind und vom Verhalten einzelner menschlicher Akteure abhängen, muss die Psychologie zu Rate gezogen werden. Eine solche komplexe Situation ist der Aktienmarkt mit seinen Aufs und Abs, seiner Abhängigkeit vom wirtschaftlichen und politischen Geschehen und seinen Kleininvestoren, die oftmals wie Lemminge der ausgelösten Panik in Kaufen und Verkaufen folgen. Manche Gerüchte über Aktienentwicklungen scheinen sogar bewusst gestreut zu werden, um die Anleger und deren Herdenverhalten zu steuern. So geschehen zum Beispiel bei der »Immobilien-Blase« im Jahr 2008.
Wer stattdessen klug investieren will, muss die Psycho-Logik an der Börse beachten, um verlässliche und auch längerfristige Prognosen stellen zu können.
Nachfolgend eine (nicht erschöpfende!) Auflistung solcher Aspekte menschlicher Psyche:
Entscheidungstheorie und Aktienhandel
Erkenntnisse zum menschlichen Wahlverhalten, die sogenannte Entscheidungstheorie, sind an der Börse von Vorteil. Nicht nur in Bezug darauf, um einschätzbar zu machen, wie das Management von Unternehmen auf Krisen reagieren wird. Sondern auch in Bezug auf die eigene Selbstregulation und dem menschlichen Impuls, zum Beispiel bei Kursverlust, sofort alle Aktien des Unternehmens verkaufen zu wollen. Denn so wie man selbst nicht vor diesen Ängsten geschützt ist, ergeht es auch anderen zumeist Kleininvestoren. Das Ergebnis: Durch die panikartigen Aktienverkäufe fällt der Aktienkurs noch weiter. Eine selbsterfüllende Prophezeiung, vor der man sich schützen sollte, indem man die menschliche Psyche an der Börse versteht.
Doch kaum einer beschäftigt sich den ganzen Tag lang mit Aktien. Viele haben nebenbei noch einen Alltag und einen Job zu bewältigen. Das führt zum nächsten Punkt, den man unbedingt für sich bewusst machen sollte.
Begrenzte Rationalität der menschlichen Psyche
Selbst wenn man sich vornimmt, entscheidungstheoretisch angemessen vorzugehen, sind unsere kognitiven Kapazitäten begrenzt. Hinzu kommt der Alltag, eine geringe Konzentrationsbereitschaft beziehungsweise Motivation aufgrund täglicher Belastungen, emotionale Schwankungen und vieles mehr. Unter diesen Umständen ist unser Gehirn nur allzu schnell bereit, auf Heuristiken und Automatismen zurückzugreifen, das heißt auf vereinfachte, wahrscheinlichkeitsbasierte Denkstrategien, um schnell zu zielführend praktikablen Lösungen zu kommen.
Diese Fähigkeit unseres Gehirns ist ursprünglich ein Überlebensvorteil, da man nicht in allen Situationen ewig grübelnd herumstehen kann. Zum Beispiel wenn man eine Giftschlange unmittelbar neben sich auf dem Boden vermutet, diese sich aber dann doch als Stock entpuppt. Hier ist rasches, automatisiertes Handeln vonnöten.
Am Aktienmarkt dagegen eher nicht. Das wissen auch Warren Buffett und andere erfolgreiche Investoren, weswegen sie stets nur wohlüberlebte Entscheidungen fällen, diese sorgfältig anhand der erarbeiteten Investitionsstrategie prüfen und sich nicht von kurzfristigen Bewegungen am Aktienmarkt zu schnellen Entscheidungen nötigen lassen.
Heuristiken und Bias an der Börse
So unvorhersehbar die Börse manches Mal zu sein scheint, so vorhersehbar ist die menschliche Psyche beim Investment. Dementsprechend gilt der sogenannte Home-Bias als eines der Paradebeispiele für die Verfügbarkeitsheuristik. Der Investor bevorzugt den Aktienkauf von Unternehmen, die im Heimatland ansässig sind. Dies geht selbstredend konträr mit dem gängigen Anlagehinweis, eine möglichst große Streuung im Portfolio zu gewährleisten. Auf die Art können ungünstige Entwicklungen und Krisen in einem Land besser abgefedert werden, da man auch Aktien von Unternehmen aus anderen Ländern besitzt.
Ein weiterer Bias, der die Entscheidungen beim Aktienkauf beeinflussen kann, ist die sogenannte Rekognitionsheuristik, welche bedeutet, dass der Kauf namentlich bekannter Unternehmen gegenüber einem Kauf unbekannter Unternehmen bevorzugt wird, selbst wenn das nicht bekannte Unternehmen über bessere Investitionskennwerte verfügt.
Darüber hinaus könnte seitens des Anlegers die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt bestimmter Ereignisse am Aktienmarkt über- oder unterschätzt werden. Ebenfalls ein beliebter Bias ist es, Aktien von Unternehmen, die sich ungünstig entwickelt haben, dennoch zu behalten. In der Hoffnung auf zukünftig bessere Prognosen. Und weil sie einem »irgendwie vertraut geworden sind«.
Selbstüberschätzung nicht unterschätzen
Genauso wie die Angst vor Verlusten an der Börse muss man einen zu hohen Selbstwert aufgrund von Erfolgen beachten. Die Kontrollüberzeugung ist dabei unter anderem ein wichtiges psychologisches Konstrukt. Zu glauben, dass man die Entwicklungen am Aktienmarkt nun durchschaut hat oder dass die eigene Strategie die wirklich erfolgreiche ist, kann zu einigen Urteilsfehlern und vorschnellen Entscheidungen beim Investor führen. Das eigene Wissen sollte niemals überschätzt werden. Demut und ein stabiles Selbstwertgefühl sind an der Börse ebenso entscheidend wie die präzise Beurteilung vergangener Erfolge (und Misserfolge). Zu behaupten, dass man positive Aktienentwicklungen vorhergesehen hat, ist ein allseits beliebter Fehler bei der Rückschau auf das eigene Verhalten beim Aktienhandel.
Wer am Aktienmarkt investieren will, braucht Fachwissen und einen kühlen Kopf. Kenntnisse über Wirtschaft und Politik sowie in Bezug auf die menschliche Psyche muss man an der Börse beachten, um langfristig stabile Renditen einfahren zu können.