Nicht nur ältere Menschen können Einsamkeit fühlen. Auch bei Jüngeren scheint das Gefühl von Einsamkeit und das Alleinsein zuzunehmen. Doch Einsamkeit wirft dunkle Schatten voraus, im Hinblick auf Gesundheit und Mortalitätsrisiko, aber auch in Bezug auf die Spaltung der Gesellschaft.

Einsamkeit fühlen: bei Alt und Jung

Bei Einsamkeit denkt man häufig an einen älteren Menschen, dessen Lebenspartner bereits gestorben ist, der seine Freunde an den Tod verloren hat und dessen Kinder mit ihren eigenen Familien weiter entfernt leben. Und tatsächlich verweilen viele ältere Menschen allein in ihren Wohnungen und sie fühlen Einsamkeit. Eine nationale US-amerikanische Umfrage der AARP ergab, dass fünfundzwanzig Prozent aller über Siebzigjährigen Einsamkeit fühlen. Dabei fühlten sich Verheiratete weniger einsam, verglichen mit Unverheirateten. Und solche mit höherem Einkommen fühlten sich weniger einsam, als solche mit niedrigerem Einkommen – weil man mit weniger Geld natürlich auch weniger unternehmen kann. Neben der finanziellen Hürde ist es für viele Ältere eine Herausforderung, sich neue soziale Kontakte zu erschließen, um der Einsamkeit im Alter entfliehen zu können.

altes Familienfoto, Eltern und Kinder, Bauern

Der familiäre Zusammenhalt früherer Tage © Patrick Magee under cc

Glaubt man nun, dass Einsamkeit ein Phänomen des Alters ist, täuscht man sich. Gegenüber den fünfundzwanzig Prozent der über Siebzigjährigen, die Einsamkeit verspüren, stehen dreiundvierzig Prozent (!) von sich einsam Fühlenden im Alter von 45-49 Jahren. Die Einsamkeit nimmt also in den jüngeren Generationen zu.

Gesamtgesellschaftlich wurden in der AARP-Umfrage etwa fünfunddreißig Prozent der Befragten als einsam eingestuft. Darüber hinaus leben, gemäß den Daten des U.S. Zensus, mehr als ein Viertel der US-amerikanischen Bevölkerung allein, mehr als die Hälfte der Population ist unverheiratet und die Heiratsraten sowie die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, sind zurückgegangen. Hierzulande dürfte es nicht anders sein.

Ein Grund dafür könnte das zum Lebensstandard verhältnismäßig sinkende Einkommen sein, welches Unternehmungen oder gar Familiengründung erschwert. Als Unterhaltungspuffer dienen dann voranschreitende Digitalisierung sowie die häufigere Computernutzung, welche einen aber ebenfalls Einsamkeit fühlen lassen können. Reale Kontakte im wahren Leben bleiben dabei häufig außen vor.

Wer sozial eingebunden ist, lebt länger

Auf dem Treffen der amerikanischen Psychologengesellschaft, der APA, im August 2017 wurde bekannt gegeben, dass soziale Isolation zu einer größeren Bedrohung für die Gesundheit werden könnte als Übergewicht. Gemäß der veröffentlichten Forschungsergebnisse scheint der negative Einfluss sozialer Isolation immer größer zu werden. Zwei auf dem Kongress vorgestellte Metaanalysen legen nahe, dass soziale Anbindung mit einem zu fünfzig Prozent (!) verringerten Risiko eines frühen Todes verbunden ist. Soziale Isolation, allein leben und Einsamkeit stehen dagegen in einem signifikanten Zusammenhang zu einem früheren Tod sowie zu anderen gesundheitlichen Risikofaktoren, wie zum Beispiel Übergewicht. Einsamkeit scheint in etwa so schädlich wie geringe körperliche Betätigung, Alkoholmissbrauch oder moderater Tabakkonsum zu sein, und ist offenbar schädlicher als Übergewicht.

Dabei benötigen wir soziale Verbundenheit seit der Geburt. Ein trauriger Beweis dafür ist die höhere Sterblichkeit auf Säuglingsstationen, wenn die Kinder nicht genügend soziale Wärme erhalten. Auch dass soziale Abweisung und Isolation als Bestrafung bei Kindern eingesetzt wird, sollte uns zu denken geben!

Verbundenheit als Zeichen evolutionsbiologischer Stärke

Schattenbild, Vater, Kind, Kinderwagen, Tunnel

Eine kleine soziale Gruppe und Frühinstitutionalisierung müssen nicht der richtige Weg sein © mrhayata under cc

Verbundenheit ist ein menschliches Bedürfnis, das wir in der heutigen Zeit in einer fortwährend schnelllebigeren und wenig sozialen Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren dürfen. Im Laufe unserer Entwicklung hat uns die Verbundenheit zu anderen Menschen überhaupt erst überleben lassen. Die aktuelle Spaltung, welche derzeit durch verschiedene Gesellschaftsschichten geht, dient der Schwächung der mittleren und ärmeren Klassen. Ein beunruhigendes und dennoch vielsagendes Zitat von Warren Buffett in einem Interview mit der New York Times (zitiert nach ZEIT online) beschreibt den aktuellen Zustand vieler Gesellschaften:
„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“

Chaotische Welt und die Flucht in Medien

Das Leben in modernen Gesellschaften bringt Narzissmus und Einzelgänger hervor. Konkurrenzdenken und Abhärtung gelten als Überlebenschancen in der heutigen Zeit, andere Werte sind derart breitgefächert, dass sie sich beliebig an und ausknipsen lassen. Wem kann man es verdenken, wenn man sich nach einem harten Alltag in den Medienkonsum flüchtet. Dennoch: Anstatt den Anfängen zu wehren, lassen wir uns immer weiter treiben und auseinanderspalten. Und so werden wir in Zukunft wohl weiter ansteigend Einsamkeit fühlen.