Die Psychologie der Farben hat eine lange Tradition, die weit vor die Zeit der eigentlich psychologischen Beschäftigung mit dem Thema zurückreicht. Schon in den alten Formen der Signaturen- oder Elementelehre hatten auch Farben ihren festen Platz. Die kleine graugrüne Blüte wirkt auf uns ganz anders als die dominante Pracht einer tiefroten Rosenblüte.
Ebenso fallen die prall rot bis violett anschwellenden Kehlsäcke bestimmter Vogelarten oder die Hinterteile von Affenarten auf und das sollen sie auch, weil ihre biologische Funktion entweder die Drohung oder das Locken oder beides ist. In beiden Fällen ist es gut aufzufallen. Doch das ist es nicht immer. Eine andere Strategie ist es, sich nahtlos der Umgebung anzupassen und hier spielen Tarnfarben eine wichtige Rolle, die oft mit Mustern kombiniert werden, die für feindliche Beobachter die Grenzen zur Umgebung auflösen.
Biologisch oder kulturell erlernt?
Auch wir reagieren auf Farben noch immer annähernd so, wie Tiere es tun, nach biologischen Mustern. Rot wirkt aufpeitschend und erhöht den Blutdruck. Die Farbe steht für Warnung und damit Aggression einerseits, sowie für sexuelle Verlockung andererseits.
Blau hingegen wirkt kühlend und beruhigend auf die meisten Menschen. Über die Wachheit und Förderung der Konzentration, die Blau auslösen soll, hat es einen Bezug zur Arbeit, auch im Zusammenhang mit dem Blaumann, der typischen Arbeiterkluft. Andererseits steht das Blau aber auch für Ferne und Fernbleiben, was man im Blaumachen sieht, aber auch wenn man „blau“ ist, weil man zu viel Alkohol getrunken hat. Zudem ist das Blau des unerreichbaren Himmels und das ferne Blau des Meeres etwas, was diese Analogie erklärt. Im Englischen finden wir über „blue“ noch eine Verbindung zur Trauer und Depression, was natürlich auch mit der Vielfalt der Töne und Schattierungen einer Farbe zu tun hat. Ein sattes Königsblau wirkt anders als ein eher tristes blaugrau.
Das intuitive Wissen um Farben ist etwas, was heute noch genutzt wird, und verweist auf die immer auch biologische Verwurzelung unseres Erlebens. Männer, die rote Kleidung tragen, wirken dominant, allerdings nur auf andere Männer. Bei Frauen ist der Effekt nicht nachzuweisen, sie schätzen rot, blau und grau gekleidete Männer nicht als unterschiedlich dominant ein. Zudem wurden Sportler, die rote Kleidung trugen, von Punktrichtern signifikant öfter besser bewertet.[1]
Doch nur biologisch kann es auch nicht zugehen, denn die Bedeutung der Farben kann in verschiedenen Kulturen durchaus unterschiedlich sein. Gilt bei uns schwarz als die Farbe der Trauer, so ist die in einigen asiatischen Ländern weiß, im alten Ägypten war gelb die Farbe der Trauer.[2]
Die Bedeutung der Farben kann mit der Zeit auch wechseln
„Der Zusammenhang von Rot und Aggression führte in der Antike dazu, dass der rote Planet Mars mit dem Kriegsgott Mars assoziiert wurde. Dadurch war es auch die männliche Farbe, und für Jungen war das „kleine Rot“ (Rosa) vorgesehen, bis es nach dem Ersten Weltkrieg, anfangs der 1920er Jahre, durch das Blau der Arbeitswelt (Marineuniform, blaue Arbeitsanzüge) abgelöst wurde.“[3]
Es spricht manches dafür, dass es sich bei der archetypischen Zuordnung der Farben zu bestimmten Lebensbereichen um eine Mischung von Biologie und Kultur handeln dürfte. Je primärer die Affekte, desto eindeutiger und womöglich biologisch fundierter scheinen die Zuordnungen zu sein, wie dies bei Sex und Aggression für Rot, aber auch bei der blauen Ruhe, Ferne und Sehnsucht (man denke an die blaue Blume der Romantiker) oder dem Grün für die Natur und den Ausdruck, dass alles in Ordnung und sicher ist, der Fall ist. Alles im grünen Bereich versus die rote Flagge der Medizin oder die typisch roten Signalleuchten bei Gefahr.
Haben wir es jedoch mit sekundären Emotionen und komplexeren inneren Konstellationen zu tun, bei der biologische Reaktionen mit sozialen Mustern kombiniert werden, kann die Bedeutung der Farbe wechseln.
Die Farbe der Umgebung
Nicht nur für Kleidung, Autos oder Accessoires spielt die Farbe eine Rolle, auch für unsere Umgebung. Das Haus im Grünen ist etwas anderes als das lieblose Grau manch vernachlässigter Stadtteile. Ebenso hat die direkte Farbe des Raumes einen Einfluss auf uns. Das macht sich von je her die ayurvedische Therapie zunutze, aber natürlich haben Farben und Wohnen auch in und für unseren Alltag eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
In Arztpraxen und Krankenhäusern nutzt man diese Effekte längst, doch auch zu Hause kann man ein individuelles Wohlfühlklima erzeugen, bei dem Farben eine große Rolle spielen. So kann man Arbeits-, Wohn- oder Schlafzimmer individuell gestalten, was die meisten Menschen ganz intuitiv ja bereits tun. Die Psychologie der Farben wird von uns oft genutzt.
Gegen buntere Häuser im Straßenbild ist auch nichts einzuwenden, denn der triste Charme von grauem Beton wird nicht zwingend mit Lebensqualität assoziiert. Auf unseren Straßen ist aktuell Grau (knapp vor Schwarz) die beliebteste Farbe für Autos, was vielleicht weniger einer tiefen Liebe zur Farbe geschuldet ist, als einem Blick auf einen hohen Wiederverkaufswert, der bei knalligem Pink sicher geringer ist.
Farben wirken unterschiedlich auf Männer und Frauen
Wie oben schon erwähnt, ist der Einfluss roter Kleidung von Männern auf Männer anders als auf Frauen, doch das kann am Geschlecht der Träger liegen. Wie ist es mit der Farbe selbst? Auch hier gibt es Unterschiede. Wenn Gelb und Grau gemocht werden, dann deutlich eher von Männern, Frauen können diese Farben nicht leiden. Beim Auto darf es dann auch bei Frauen Grau sein, allerdings kaufen Frauen fast doppelt so häufig rote Autos und haben es generell bei Autos gerne farbiger.[4]
Bei beiden Geschlechtern und in vielen Kulturen scheint Blau die beliebteste Farbe zu sein, warum ist jedoch noch unklar. Frauen neigen mehr als Männer zu rötlichen Farben, sowie Pink oder Violett.[5] Aus den modernen Mädchenzimmern ist Pink nicht mehr wegzudenken, das könnte jedoch ein Modetrend sein, der in einigen Jahren wieder vorbei ist. Kinder scheinen generell mehr auf knallige Farben zu stehen und erst mit fortgeschrittenem Alter kann man sich für gedecktere Farbtöne wie Olivegrün, Grautöne, Jägergrün oder ein dunkles Bordeauxrot begeistern.
Recht erstaunlich ist auch, dass die an sich so natürliche Farbe Grün stärker polarisiert als man meinen sollte. Für immerhin 12 % der Deutschen ist Grün die Lieblingsfarbe, doch genauso hoch ist der Prozentsatz derer, die sie überhaupt nicht leiden können.
Wie weit reicht der Einfluss der Farben?
Die Psychologie der Farben ist ein interessantes Thema, jedoch sollte man den Einfluss der Farben nicht überschätzen. Wer extrem schüchtern und unterwürfig wirkt, wird nicht auf einmal zum Dominator, weil er eine rote Hose trägt. Dennoch besteht unsere psychische Disposition ja aus einer Unzahl von kleinen, mittleren und großen Bausteinen und irgendwann ist eine kritische Masse erreicht, bei der sich insgesamt eine psychische Veränderung einstellt. Dazu können Farben ihren Beitrag leisten.
Mehr als durch die farbpsychologischen Überlegungen sollte man sich jedoch von seiner Intuition leiten lassen, denn allzu angestrengte Überlegungen und Kombinationen wirken schnell unpassend, gewollt oder gekünstelt.
Eine Farbveränderung, etwa in Wohnung oder Kleidung, kann jedoch auch ein Signal an die Umgebung sein, dass man innerlich einen Schritt gegangen ist. Oft parallel etwa zu einer Veränderung der Frisur, des Beziehungsstatus oder einer sonstigen größeren Veränderung ist das oft stimmig.
Die Effekte, die Farben auf uns haben, sind messbar und keine Einbildung und haben einen gewissen rituellen Charakter, der verstanden wird. Diese rituelle Veränderung kann auch genutzt werden, um sich selbst eine Richtung zu geben, denn bewusste Veränderungen im Außen schlagen sich auch in der Psyche nieder, Psychosomatik ist nicht allein auf den Körper beschränkt. In Ritualen und anderen Inszenierungen finden wir den Gedanken wieder, dass sich Psyche und Welt in stetem Austausch befinden.