Ob Paleo-Diät, Rohkost oder vegane Ernährung – die Essgewohnheiten eines Menschen definieren immer mehr auch seinen Lifestyle. Doch was steckt dahinter und wie lässt sich mit der Ernährung wirklich etwas Gutes für den Körper tun? Für Antworten auf diese Fragen haben wir den Ernährungswissenschaftler Frank Kaiser interviewt, der das Portal Vitalinstitut.net betreibt.

Ernährungstrends auf der Spur: Nährstoffmangel trotz Überfluss?

Guten Tag, Herr Kaiser. Läuft man durch den Supermarkt, erwartet einen ein reichhaltiges Angebot. Gibt es heutzutage dennoch klassische Nährstoffmängel bei Menschen?

Das hängt wie so oft im Leben vom Einzelfall ab. Grundsätzlich herrscht in Deutschland kein Vitaminmangel, wie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung festgestellt hat. Vitamin D nimmt hierbei jedoch eine Sonderstellung ein, da wir maximal 10-20% unseres Vitamin D-Bedarfs aus der Nahrung decken können. Unser Körper ist zwar in der Lage, Vitamin D selbst zu produzieren, jedoch wird dafür wiederum eine ausreichende Sonnenexposition benötigt. Diese ist hierzulande allerdings nur in den Monaten Mai bis September wirklich gegeben. Deshalb kann es gerade in den Wintermonaten zu einer Unterversorgung mit Vitamin D kommen. Darüber hinaus können bestimmte Ernährungsstile (z.B. vegane Ernährung) und spezielle Situationen (z.B. Schwangerschaft oder Säuglingsalter) dazu führen, dass ein Mangel an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen besteht.

Matcha, Chiasamen & Co.: Was bringen Superfoods?

Matcha gruenes Pulver

Matcha gilt als Superfood: zu Recht? © Ilya Yakubovich under cc

Haben sogenannte Superfoods wie Matcha oder Chiasamen ihre Berechtigung? Oder werden diese hinsichtlich ihres gesundheitlichen Nutzens überschätzt?

Der Begriff Superfoods ist meines Erachtens völlig falsch gewählt. Es geht hierbei nicht darum, hin und wieder oder auch regelmäßig eines dieser Lebensmittel zu konsumieren und damit eine Gesundheitsgarantie zu erhalten. Bei einer etwas sachlicheren Betrachtung bestimmter Superfoods lässt sich zumindest in einigen Fällen nicht von der Hand weisen, dass diese Inhaltsstoffe mit gesundheitsfördernder Wirkung enthalten. So weist Matcha Tee (eigentlich nur sehr fein geschnittener grüner Tee) neben wertvollen Mineralien auch charakteristische Gallate auf, die in Studien bisher durchaus positive Effekte auf unsere Gesundheit erzeugten. Wenn ein neues Lebensmittel zum Superfood erkoren wird, sollten Verbraucher jedoch trotzdem besonnen reagieren und sich einen Überblick über die Studienlage verschaffen. Gerade im Hinblick auf Vitamine kann hiesiges Obst und Gemüse zum Beispiel häufig locker mit sogenannten Superfoods mithalten.

Veganer, Paleo-Diät-Anhänger, Rohköstler: aktueller Forschungsstand

Ernährung ist für viele mittlerweile zu einer individuellen Überzeugung geworden. Es gibt Veganer, Paleo-Diät-Anhänger, Rohköstler und vieles mehr, die ihre Persönlichkeit auch über die Ernährung definieren. Macht es überhaupt einen Unterschied in Bezug auf die Körpergesundheit, ob ich wenig oder gar kein Fleisch esse? Oder rohes versus gegartes Gemüse?

Kiwi Scheibe

Obst ist lecker und gesund: Aber sollte man es deswegen ausschließlich essen? © you_only_live_twice under cc

Die Frage nach dem Fleischkonsum lässt sich wiederum nur in einem größeren Zusammenhang beantworten. Mittlerweile deuten viele Studien darauf hin, dass verarbeitetes Fleisch in Form von Wurst und Aufschnitt gerade in größeren Mengen einen schädlichen Einfluss auf unsere Gesundheit haben könnte. Auch nicht durchgegartes Rindfleisch steht im Verdacht, durch Viren das Krebsrisiko zu erhöhen. Auch wenn die Forschung in diesen Bereichen noch nicht abgeschlossen ist, deutet viel darauf hin, dass gerade rotes Fleisch in gewissen Situationen durchaus gesundheitliche Probleme nach sich ziehen könnte. Ob ein kompletter Verzicht auf Fleisch oder gar die vegane Ernährung die Konsequenz daraus sein muss, ist bis heute nicht komplett belegt.
Rohkost definiert sich danach, so gut wie ausschließlich unbehandelte und rohe Lebensmittel zu sich zu nehmen. In Studien und auch der Alltagspraxis hat sich gezeigt, dass eine solche ideologische Ernährungsform letztlich sehr eingeschränkt ist. Der Hauptgedanke hinter der Rohkost liegt darin, dass Vitamine im Gemüse durch Hitzeeinwirkung vermindert werden und somit der Gehalt der Nahrung deutlich schlechter ausfällt. Schon hier lässt sich festhalten, dass dies bei weitem nicht für alle Vitamine gilt. Während Vitamin C tatsächlich sehr unter Hitzeeinwirkung leidet, wird die Bioverfügbarkeit von Vitamin A und E durch Erhitzen sogar verbessert. Da Hülsenfrüchte wie grüne Bohnen jedoch giftige Phasine enthalten, können sie beispielsweise nur gekocht verzehrt werden. Hinzu kommt bei der reinen Rohkost auch noch die Gefahr von Bakterienbefall. Grundsätzlich ist also ein gewisser Anteil Rohkost in Form von frischem Obst oder Gemüse im Salat durchaus zu empfehlen. Reine Rohkost sorgt jedoch auf Dauer häufig für Einschränkungen und kann Mangelerscheinungen auslösen.

Studienbasierte Informationen aus erster Hand

Können Sie kurz für unsere Leser zusammenfassen, welche Informationen man auf Ihrer Webseite erhalten kann?

Das neue Portal Vitalinstitut.net baut auf der Idee auf, sich gesundheitlichen Themen auf Basis aktueller Studien und Veröffentlichungen zu nähern. Auf diese Weise sollen Verbraucher die Möglichkeit bekommen, sich über Vitamine, Aminosäuren, Superfoods, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Diätformen zu informieren und dabei gesicherte Fakten zu erhalten. Wir schauen uns also bei jedem ernährungsrelevanten Thema die Studienlage an und geben diese so exakt wie möglich wieder. Dies soll Orientierung im Dickicht der zahlreichen Gesundheitsinformationen schaffen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Kaiser.